Hiermit kündige ich meinen (wenigen) Lesern eine vermutlich etwas umfangreichere Blogpause an. Für mich ist das eine gute Nachricht, weil der Grund darin liegt, dass ich endlich eine Idee für ein Buchprojekt habe, dem ich mich in der nächsten Zeit widmen möchte. Ich möchte das Buchprojekt hier kurz vorstellen, was mir auch die Gelegenheit gibt, meine Gedanken zu ordnen und ein Konzept für das Buch zu entwerfen.
In der letzten Zeit habe ich mich ausgiebig mit dem Werk von Thomas Metzinger auseinandergesetzt, von dem zwei Ideen stammen, die mich zu meinem Buchprojekt inspiriert haben. Die erste Idee ist pragmatischer Natur: Metzinger selbst ist ein äußerst illusionsloser und naturalistischer Philosoph, dem es laut eigener Aussage schwer gefallen ist, mit seiner Philosophie einen breiten Erfolg zu generieren. Leichter wäre es für ihn gewesen, so Metzinger, wenn seine Philosophie irgendetwas Erbauliches hätte; wenn er eine Hintertür offengelassen hätte für das, was er Sterblichkeitsverleugnung nennt. Damit könne man mehr Erfolg haben als mit einer hoffnungslos naturalistischen Philosophie. Auch wenn Metzinger das nicht gern lesen würde, war das der eine Gedanke: Sollte ich vielleicht einen erbaulichen philosophischen Traktat schreiben, um mehr Aufmerksamkeit und Erfolg zu generieren?
Die zweite Idee ist normativer Natur. Metzinger plädiert dafür, eine Haltung einzunehmen, die er intellektuelle Redlichkeit nennt. Intellektuelle Redlichkeit besteht im Wesentlichen darin, sich nichts in die Tasche zu lügen und der Welt so ins Gesicht zu schauen, wie sie ist. Und wenn sich darin nichts Erbauliches finden lässt, sollte man auch nicht so tun, als wäre da was, nur um seinen eigenen Drang zur Sterblichkeitsverleugnung zu befriedigen. Das ist der andere Gedanke: Ich möchte auch intellektuell redlich sein. Kann ich trotzdem etwas Erbauliches schreiben?
In meinem Buchprojekt soll es nun genau darum gehen: Lässt sich etwas Erbauliches über die Realität sagen, ohne dabei der Forderung nach intellektueller Redlichkeit abzusagen? Meine Idee für das Buchprojekt lautet: Man kann! Ich behaupte, dass man an die Existenz Gottes glauben kann, ohne dabei an intellektueller Redlichkeit einzubüßen. Anders ausgedrückt: Der Glaube an die Existenz Gottes lässt sich auf rationale Weise verteidigen. Das ist im Kern die Idee meines Buchprojekts.
Zwei Punkte müssen dabei von vornherein klar sein. Mein Buch wird eine bloße Verteidigung des Glaubens sein. Das bedeutet erstens, dass meine Zielgruppe keine überzeugten Atheisten umfasst. Ich möchte nicht missionieren, sondern den Glauben rein defensiv verteidigen. Mein Traktat gibt also zweitens nicht vor, Wissen zu generieren. Es geht vielmehr darum, ein kohärentes Weltbild zu entwickeln, das die Existenz Gottes einschließt und rational gegen die besten Argumente des Atheismus verteidigt werden kann.
Hier ist eine weitere Prämisse meiner Arbeit: Ich gehe nicht davon aus, dass es eine Religion gibt, die die Wahrheit über Gott herausgefunden hat, oder in der sich Gott selbst offenbart hat. Ich glaube vielmehr, dass religiöse Schriften von Menschen erdacht wurden und keine von ihnen aufgrund von direkter göttlicher Offenbarung mehr Anspruch auf Wahrheit erheben kann als irgendeine andere. Die Schriften der Weltreligionen werde ich vielmehr als Schriften wahrnehmen, in denen sich Menschen mit denselben Fragen auseinandersetzen wie ich auch: Was ist das Wesen Gottes? Was ist das Verhältnis von Gott und Natur? Was ist das Verhältnis von Gott und Mensch? Und so weiter.
Das bedeutet auch, dass philosophische Schriften zu diesen Themen prinzipiell denselben Status für meine Untersuchung haben wie religiöse Schriften: Es sind Menschenwerke, und damit prinzipiell fehlbare Anregungen zum eigenen Nachdenken über religiöse Fragen.
Hier ist der fundamentale Glaubenssatz des Weltbildes, das ich verteidigen möchte: Die Welt wurde von Gott geschaffen, um willensfreie Lebewesen hervorzubringen.
Erste Frage: Warum hat Gott das gemacht? Dazu habe ich noch keine klare Meinung. Die erste Möglichkeit wäre: Weil die Existenz einer Welt mit willensfreien Wesen (entweder aus der Sicht Gottes oder aus moralischer Sicht, darüber bin ich mir auch noch nicht im Klaren) eine gute Sache ist. Vornehmer ausgedrückt: Weil eine Welt mit willensfreien Lebewesen intrinsisch wertvoll ist. Vielleicht ist Willensfreiheit aber auch vielmehr die Bedingung der Möglichkeit für die Entstehung von Werten, daher steht folgende Alternative im Raum: Weil eine Welt mit willensfreien Lebewesen eine Welt ist, in der Werte generiert werden können; oder weil Willensfreiheit die Bedingung der Möglichkeit für die Existenz intrinsischer Werte ist. Darüber muss ich noch nachdenken.
Zweite Frage: Was ist Willensfreiheit überhaupt? Dazu habe ich hier im Blog schon viel geschrieben und schweige mich daher an dieser Stelle darüber aus. Es wird aber auf jeden Fall ein Kapitel über Willensfreiheit notwendig sein, denn mein fundamentaler Glaubenssatz setzt voraus, dass Willensfreiheit zum einen in dieser Welt verwirklicht werden kann, und zum anderen überhaupt ein kohärentes Konzept ist. Beides wird auch und gerade von Atheisten gerne bestritten, also ist schon an dieser Stelle ein argumentativer Schutzwall nötig, um den Glaubenssatz gegen deterministische Anwürfe zu verteidigen.
Dritte Frage: Gibt es irgendeinen Grund, meinen fundamentalen Glaubenssatz zu glauben? Ich denke schon. Zum einen ist da der Urknall, der (möglicherweise) einer Erklärung bedarf. Ich denke jedenfalls, dass es nicht irrational ist, mit Aristoteles von einem unbewegten Beweger auszugehen, der das Universum erschaffen hat – zumindest nicht irrationaler als die Gegenthese, dass es zu Beginn unseres Universums einfach so einen unausgedehnten unendlich massereichen Punkt gegeben hat, der unsere gesamte materielle Raumzeitstruktur in einem Urknall aus sich selbst zu entlassen.
Zum anderen ist es prima facie erstaunlich, dass unsere Welt einerseits eine zufällige Mikrostruktur aufweist, in der genuine Zufälle existieren, und zum anderen eine deterministisch erscheinende Makrostruktur, in der Gesetze herrschen und die (unbelebten) Dinge sich nach vorhersagbaren Mustern verhalten. Aus meiner Sicht braucht man beides, damit Willensfreiheit überhaupt möglich ist. Damit liegt ein Ansatz für ein Finetuning-Argument vor: Die Welt ist äußerst merkwürdig eingerichtet, und zwar so, dass Willensfreiheit möglich ist. Das liefert prima facie einen Grund für die Annahme, dass das kein Zufall ist, sondern von einem intelligenten Wesen so eingerichtet wurde. Das ist kein Argument, das einen Atheisten überzeugen würde – aber der gehört, wie gesagt, auch nicht zu meiner Zielgruppe.
Vierte Frage: Was meine ich überhaupt, wenn ich über Gott spreche? Das ist eine gute Frage, über die ich noch keine Klarheit erlangt habe. Meinem obigen Argument zufolge ist Gott primär der Schöpfer des Universums. Ob ich Gott noch weitere Eigenschaften zuschreiben werde und möchte, muss sich im Verlauf der Abfassung meines Buches noch herausstellen. Eines ist mir aber jetzt schon klar: Ich werde mich nicht einseitig auf die These einer Weltreligion schlagen, sondern mir aus allen das rauspicken, was sich auch heute noch verteidigen lässt bzw. mit dem oben beschriebenen Weltbild kohäriert. Es steht die Möglichkeit im Raum, dass mein Gottesbegriff der eines philosophischen Gottes ist, der von den Weltreligionen und Philosophen inspiriert wurde, aber sich nicht auf diese zurückführen lässt.
Dem Atheismus soll unter anderem dadurch etwas Wind aus den Segeln genommen werden, dass mein Gottesbegriff sich als durch atheistische Gegenargumente beeinflusst erweisen wird. Hier ein Beispiel: Gott ist nicht allmächtig, weil er keinen Stein erschaffen kann, der so schwer ist, dass er selbst ihn nicht hochheben kann. Das halte ich für korrekt und erfordert eine Revision des Gottesbegriffs: Gott ist nicht allmächtig, aber er ist mindestens so mächtig, dass er ein Universum wie unseres erschaffen kann. Ich vermute außerdem, dass auch die Existenz der Willensfreiheit seine Allmacht einschränkt.
Ob ich glaube, dass Gott überhaupt in den Weltlauf eingreift, ist mir noch unklar. Wenn er es tut, dann nur so, dass es nach unseren besten physikalischen Gesetzen auf unsichtbare Weise geschieht, das heißt: Er nutzt den Handlungsspielraum, der durch den physikalischen Zufall auf Mikroebene eröffnet wird. Gottes Handeln in der Welt ist unsichtbar und kann genauso gut durch Zufallsereignisse erklärt werden.
Dies nimmt einem weiteren atheistischen Gegenargument den Wind aus den Segeln, nämlich dem Argument der Verborgenheit Gottes: Wenn es einen Gott gibt, der unsere Verehrung will – warum hält er sich dann im Verborgenen und offenbart sich uns nicht? Dem kann man drei Dinge entgegenhalten. Erstens: Es ist unklar, ob Gott unsere Verehrung will. Vielleicht will er lieber, dass wir frei sind. Zweitens: Wenn er will, dass wir frei sind, dann muss er sich verborgen halten – ein zweifelsfreier Aufweis der Existenz Gottes würde unser Verhalten erheblich beeinflussen, vielleicht sogar auf eine Weise, in der Willensfreiheit nicht mehr möglich ist. Drittens stellt sich nämlich die Frage: Auf welche Weise könnte sich Gott überhaupt in dieser Welt offenbaren? Nicht über die Sinne – denn wir könnten halluzinieren. Nicht über den Verstand – denn wir könnten uns irren. Aber wenn nicht über die Sinne und nicht über den Verstand – wie dann? Gottes Selbstoffenbarung müsste offenbar so umfassend und so andauernd sein, dass wir ständig Gottes Präsenz spüren würden. Dann wären wir aber vermutlich nicht mehr willensfrei, da wir gar nicht mehr gegen Gottes Willen handeln könnten – so zumindest meine derzeitige Intuition. Das bedeutet aber: Gott muss sich sogar verborgen halten, um unsere Willensfreiheit zu ermöglichen.
Das führt sogleich zur fünften Frage: Warum lässt Gott so viel Leiden zu? Die Antwort lautet auch hier, dass das Zulassen von Leid vermutlich notwendig ist, um überhaupt Willensfreiheit zu ermöglichen. Für menschenverursachtes Leid ist das offensichtlich. Und ich denke, es gilt auch für sonstige Zufälle, Schicksalsschläge und ähnliches. Das muss ich aber noch genauer durchdenken. Es ist mir zum jetzigen Stand jedenfalls überhaupt nicht klar, dass es eine Welt frei von Leiden geben könnte, in der wir trotzdem willensfrei sind. Denn man bedenke: Die Welt ohne Leiden muss zugleich eine sein, in der sich Gott verborgen hält – wir bräuchten also eine Art Schutzschild, ohne dass wir aus der Existenz des Schutzschildes schließen könnten, dass es einen Gott gibt, der uns behütet. Das ist vielleicht mehr, als man vernünftigerweise erwarten kann.
Das sind so im Groben die Umrisse, die ich für mein Buchprojekt jetzt schon klar sehe. Im Verlauf der Arbeit werden vermutlich noch weitere Aspekte hinzukommen, andere werden abgewandelt, und so weiter – aber ich habe das Gefühl, die Grundideen sind schon da. Mit diesen hoffnungsvollen Worten schicke ich den Blog in den metaphorischen Winterschlaf und mache mich an die Arbeit eines Buches. Ich bin gespannt, ob ich das hinbekomme.
Eine Antwort auf „Blogpause und Skizze eines Buchprojekts“
Gutes Gelingen!