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EA80: Ein Ranking aller Alben

EA80 sind eine 1979 gegründete Punkband aus Mönchengladbach, die mit nunmehr knapp 46 Jahren auf dem Buckel die wohl älteste Punkband dieses schnuckeligen Planeten ohne jeden Besetzungswechsel sind. Sie sind damit sieben Jahre älter als ich, was ich für sich genommen schon äußerst beeindruckend finde.

EA80 sind der Inbegriff einer Kultband: Nur wenigen eingeweihten Kennern überhaupt bekannt, genießt sie unter ebendiesen Kennern einen nachgerade herausragenden Ruf. Ihr Schattendasein ist dabei selbst gewählt: Interviews geben sie quasi keine, eine sonstige Promotion ihrer Veröffentlichungen findet ebenfalls nicht statt, und ausgedehnte Tourneen sind auch nicht ihr Ding, sodass es immer ein bisschen Glückssache ist, überhaupt mitzubekommen, dass sie mal wieder ein neues Album veröffentlicht haben. Und Präsenz auf sozialen Medien? Guter Witz! Online gibt es EA80 nur über die offizielle Website der Band: Viel Spaß beim Erkunden!

Aber das Wort „Schattendasein“ passt noch in einer anderen Hinsicht perfekt zu dieser Band: Ihre Musik ist nämlich in aller Regel düster wie die Nacht, und die zugehörigen Texte loten auf kryptische Weise die seelischen Untiefen der menschlichen Existenz aus. Schon auf ihrem allerersten Album Vorsicht Schreie findet sich eine Liedzeile, die wie ein Mission Statement ihres gesamten Schaffens wirkt:

„Mein Haus ist schwarz, und es steht allein. Es hat keine Fenster und es kommt niemand rein.“ (EA80: „Häuser“)

Dieses Ranking aus Anlass ihres neuen Albums ● ● [a.k.a. Stecker] soll eine kleine Hilfestellung bieten, zumindest einen Fuß in die Tür des schwarzen Hauses EA80 zu bekommen. Die Zeit, die Band zu entdecken, könnte dabei kaum günstiger sein: Mittlerweile wurden alle ihre Alben neu aufgelegt, sodass mangelnde Verfügbarkeit der Musik kein Thema mehr ist.

Aber natürlich nicht auf Streamingdiensten – wo kämen wir da hin? Hahaha, dreimal laut gelacht! Man muss sich schon ganz Oldschool die physischen Alben besorgen, am besten natürlich auf Vinyl. Doch wo fängt man an? Mein Tipp: Fange mit der Top 3 dieser Liste an. Danach besorge dir den Rest. Es sei denn, du stehst explizit auf 80er-Jahre-Punkrock: Dann fange mit den Alben vor 1995 an. Viel Spaß beim Entdecken einer absoluten Ausnahmeband!

14. Single (2019/2023)

2019 wurden EA80 40 Jahre alt. Das brachte die Band auf die Idee, zu diesem Anlass eine Box mit 7 Seven Inches herauszubringen, die jeweils 6 einminütige Songs beherbergen – also insgesamt 42 Songs in 42 Minuten. 2023 wurde dieses Boxset auf Vinyl und CD einer breiteren Masse zugänglich gemacht und um zwei neue Einminüter ergänzt. Oder wie es offiziell vermarktet wird: Sie brachten zwei neue Songs mit 42 Bonustracks heraus. Witzige Idee! Was auf dem Cover wie ein toter Frosch aussieht, ist übrigens eine alte Kartoffel. Soviel dazu!

Nun sind EA80 wahre Meister im Komponieren kurzer Songs: Ich nenne als Beispiele nur „Hören/Sagen“, „System zu Überleben“ oder „Zweifel“. Die Idee ist also nicht so abwegig, wie sie auf dem Papier erscheinen mag. Das Problem ist allerdings, dass die ganze Sache so klingt, als wäre die Idee wirklich vor der Ausführung da gewesen – dass man also nicht etwa aufgrund eines ganzen Haufens vielversprechender Skizzen das Projekt in Angriff genommen hat, sondern aufgrund der Idee 42 Skizzen entworfen hat. Das Ergebnis ist durchaus okay, man verstehe mich nicht falsch – aber es ist eben auch nicht mehr als okay. Nur für Komplettisten (wie mich).

13. Definitiv: Ja! (2017)

Definitiv: Ja! ist das vorletzte Album der Band und gewissermaßen das Geschwisterkind des Vorgänger-Albums Definitiv: Nein!. Der Sound ist im Vergleich mit der älteren Schwester dabei wieder um einiges krachiger und widerspenstiger ausgefallen, was mir persönlich eine wahre Freude ist. Die Platte hat allerdings auch einen Haken: Mein Lieblingssong und der klare Hit der Platte ist der Titeltrack. Der ist aber nicht mehr als ein Cover des Titeltracks des Vorgängeralbums. Und zu allem Überfluss ist dieser Song auf dem Vorgängeralbum nicht einmal ein Highlight. Mit anderen Worten: Während mich der Sound auf diesem Album mehr als befriedigt, lassen die Songs selbst aus meiner Sicht ein wenig zu wünschen übrig. Trotzdem höre ich mir das Album gerne an und kann durchaus eine eingeschränkte Empfehlung abgeben: Man sollte dem Album durchaus ein Ohr leihen, aber lieber erst gegen Ende der Reise durch die Diskographie.

12. Schauspiele (1992)

Als ich im Geiste mit diesem Ranking begonnen habe, stand dieses Album eigentlich als Schlusslicht fest. Aber als ich es mir wieder angehört habe, musste ich feststellen, dass es viel besser ist, als ich es in Erinnerung hatte. Es gehört für mich zwar immer noch zu den schlechteren EA80-Alben, aber das heißt bei dieser Band einfach nichts: Abgesehen von Single ist jedes Album mindestens gut und damit empfehlenswert.

Im Überblick über das Schaffen der Band würde ich dieses Album als ein Übergangsalbum bezeichnen: Die Gitarren sind schon ein bisschen druckvoller und präsenter im Mix als auf den Vorgängeralben, aber wirklich abgeschlossen ist der Weg zum neuen Sound der zweiten Phase der Band erst mit dem Nachfolgeralbum Grüner Apfel, das wir weiter unten sehen werden. Auch hier gilt: Anhören ja, aber erst nach den anderen Alben.

11. Vorsicht Schreie (1983/2004)

Schon mit ihrem Debütalbum hatten EA80 ihren eigenen Sound gefunden: Mit einem Bein klar im klassischen Punkrock verwurzelt, stehen sie mit ihrem düsteren Sound und dem entfernt an Ian Curtis erinnernden Gesang mit ihrem anderen Bein doch auch im Post-Punk der 80er Jahre.

2004 haben sie das Album aus Anlass seines 20-jährigen Geburtstags und seiner damaligen Unverfügbarkeit neu aufgenommen, weshalb wir uns heute an zwei Versionen des Albums erfreuen können, die beide ihre eigenen Vorzüge haben. Insgesamt mag ich die 2004-Version lieber, was vor allem am druckvolleren Sound liegt – vielleicht aber auch daran, dass ich das Album in dieser Version als erstes gehört habe. Einziges Manko des Albums: Die meisten Nachfolgealben sind einfach noch besser…

10. ● ● [Stecker] (2025)

Wer eine Band kennt, die nach 46 Jahren noch so frisch und wütend vor sich hin lärmt, mag mir gerne im Kommentarbereich einen Hinweis zukommen lassen – mir fällt keine ein! Der Sound der Platte ist für meine Begriffe einfach hervorragend und knüpft nahtlos an den Vorgänger Definitiv: Ja! an. Außerdem gibt es mit „Die goldene Stadt“ einen Ausnahmesong, der sich vor ihren früheren Glanztaten nicht zu verstecken braucht. Ja, das Album gehört zu den schlechteren der Band – aber ich bin trotzdem rundum zufrieden. Hoffen wir, dass diese Band auch mit 50 noch solche Musik macht!

9. Zweihundertzwei (1990)

Zweihundertzwei ist mit 55 Minuten und 23 Songs das längste Album der Band und aus meiner Sicht auch das inkonsistenteste: Es hat einige langsamere Stücke, die mir nicht so gefallen, und auch die das Album beschließenden einminütigen Songs auf der beigefügten Seven-Inch begeistern mich nicht gerade. Dafür sind die Höhepunkte besser als alles auf ihrem Debüt: „Innenraum“, „Geschäft“ oder das epische, achtminütige „Balsam“ sind Bandhighlights. Trotzdem würde ich auch dieses Album aufgrund seiner Inkonsistenz und seiner etwas ausufernden Länge nicht zum Einstieg empfehlen.

9. Mehr Schreie (1987)

Mehr Schreie ist das dritte Album der Band, das aus meiner Sicht insgesamt an einem etwas dünnen Sound krankt und daher in dieser Liste weiter unten landet. Trotzdem bekommt es eine klare Hörempfehlung, denn es enthält mit „Auf Wiedersehen“ einen absoluten Klassiker der Band, der völlig zu Recht von anderen hervorragenden deutschen Punkbands wie Boxhamsters oder Muff Potter gecovert wurde. Und der Rest des Albums ist auch nicht schlecht, denn ich kann mich nur wiederholen: Schlecht sind EA80 eigentlich nie.

7. Grüner Apfel (1995)

Mit Grüner Apfel beginnt nach meiner Zeitrechnung die zweite Phase der Band, die sich durch einen druckvolleren Gitarrensound und insgesamt doch eher sperrigeres Liedgut auszeichnet. Mit knapp 52 Minuten Länge ist Grüner Apfel für Punk Rock-Verhältnisse geradezu episch ausgefallen – ein Attribut, das vor allem auch auf den Closer „Fliegen“ zutrifft, das mit seinen 16 Minuten Länge und seinem atmosphärisch-gemächlichen Aufbau eher schon im Post-Rock anzusiedeln ist. Wobei das Label Post-Rock für das Jahr 1995 anachronistisch ist, was einmal mehr zeigt, was für eine Ausnahmeband EA80 sind.

Persönlich habe ich längere Zeit gebraucht, um mit diesem Album warm zu werden – aus meiner Sicht handelt es sich um das sperrigste Album der Band und eignet sich daher wiederum nicht für den Einstieg. Wer aber an den späteren Alben der Band Gefallen findet, sollte auch diesem Album definitiv ein Ohr schenken.

6. Definitiv: Nein! (2011)

Ich weiß noch, dass ich seinerzeit zum Release des Albums eine gewisse Enttäuschung nicht verhehlen konnte: Der rauhe Sound ihrer Vorgängeralben hatte sich ein wenig abgeschliffen und es klang bei allem Zug nach vorne auch ein wenig nach einem Album einer Band in ihrer Altersphase: Routiniert, vergleichsweise gesetzt, und zudem noch mit einem klaren Eigenzitat, da „Vor dem Untergang“ eindeutig an ihren Song „Sommerjugend“ des Vorgängeralbums Reise erinnert.

Und doch hat es das Album geschafft, sich relativ weit nach oben auf diese Liste zu spielen, was einfach daran liegt, dass ich jedes Mal, wenn ich das Album auflege, positiv überrascht bin: Es ist stets deutlich besser, als ich es in Erinnerung habe! Es ist vielleicht kein Meisterwerk wie die drei direkten Vorgänger, aber es reiht sich doch Hit an Hit. Und die Nachfolgealben beweisen mit ihrem wieder druckvolleren Sound, dass diese Band keineswegs altersmilde geworden ist, wie man bei diesem Album noch befürchten konnte.

5. Licht (1989)

Licht ist wohl das energischste Album der 80er-Punk-Phase der Band: Auf den wieder einmal knapp 50 Minuten des Albums gibt es kaum Verschnaufpausen, stattdessen reiht sich in hohem Tempo Hit an Hit, was mir persönlich eine wahre Freude ist. Wer Punk Rock der alten Schule mag, sollte sich dieses Album auf jeden Fall zu Gemüte führen.

4. 2 Takte später (1985)

Mit ihrem zweiten Album 2 Takte Später schraubten EA80 im Vergleich mit dem Debüt nochmal an der Düsternisspirale: Schon der Opener „Die gescheiterte Revolution“ macht deutlich, dass hier vier völlig illusionslose Punker am Werk sind, die sich über politische Umsturzphantasien der damaligen Szene nur noch lustig machen konnten: Eine Revolution wird es nicht geben. Keine Utopien. No Future.

Auch der Text von „Kein Plan“ ist für mich ein absoluter Klassiker: Was soll man mit einem Lebensplan, wenn man jederzeit viel zu früh abnibbeln könnte? Für mich persönlich eine gewisse Ermutigung, weil auch ich ziemlich planlos vor mich hinlebe. Generell sind es die Texte dieses Albums, die es für mich zum besten Album ihrer deutschpunkigen Frühphase und zu einem der besten Deutschpunk-Alben überhaupt machen. Wer auf Punk Rock der alten Schule steht, sollte sich dieses Album definitiv nicht entgehen lassen. Ein absoluter Klassiker.

3. Reise (2007)

Als ich EA80 kennen gelernt habe, war Reise gerade das aktuelle Album, und andere Alben waren nur schwer zugänglich, weshalb es wohl das von mir meistgehörte Album der Band ist. Der Sound des Albums ist ein wenig gewöhnungsbedürftig, da der Gesang für meine Begriffe bei einigen Songs ein wenig zu weit hinten im Mix ist. Aber ich habe mich mittlerweile daran gewöhnt, wie ja in der Musik generell vieles auch eine Sache der Gewohnheit ist.

Reise ist vielleicht das Album, das den Punk-Kosmos der Band am weitesten aufsprengt: Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man das Album mit einigem Recht auch einfach unter Indie Rock verbuchen. Möglicherweise ist das auch der Grund dafür, dass Indie-Legende J. Mascis das Album seinerzeit zu seinen fünf Lieblingsalben des Jahres gezählt hat. (Die Quelle für diese Behauptung ist leider nicht mehr aufzutreiben; ich glaube, es war bei Pitchfork zu lesen.)

2. Alle Ziele (2001)

Wie viele Bands gibt es, die erst nach etwa 20 Jahren ihren Zenit erreichen? These: Es sind nur die absoluten Ausnahmebands. Eine dieser Bands ist EA80. Schon der Opener „Fixpunkt“ fällt gleich mit der Tür ins Haus und dockt, ich weiß nicht wie, direkt an meinem Lustzentrum an. Und das Niveau lässt einfach nicht nach. Perfekter Sound, herausragende Songs. Einziges Manko? Der Vorgänger Schweinegott war noch besser. Wie auch immer das möglich gewesen ist.

1. Schweinegott (1998)

Schweinegott war meine erste ernsthafte Berührung mit EA80 – und eines der wenigen Alben überhaupt, die in mir einen echten Flashmoment erzeugt haben. So großartig kann Musik sein! So grimmig! So wütend! So düster! Schon der Opener „Berge“ trennt die Spreu vom Weizen: Entweder man lässt sich willig oral verprügeln, oder eben nicht. Ein bisschen Masochismus muss schon sein, wenn man sich mit einem Schweinegott einlassen will. Aber wenn man diese masochistische Ader hat, dann gibt es einfach nichts Besseres.

Nichts. Das meine ich wörtlich. So gut ist dieses Album. Hier ist wirklich jeder Song herausragend, sodass es schwer fällt, überhaupt ein Highlight zu benennen. Schweinegott entspricht meinem persönlichen platonischen Ideal eines perfekten Indie-/Punk Rock-Albums. Es fällt mir schwer, überhaupt Worte für dieses Meisterwerk zu finden. Ich möchte es am liebsten einfach hier einkleben. Oh, warte: Das geht ja heutzutage! Also, warum lange schwadronieren: Eines meiner absoluten Lieblingsalben aller Zeiten ist unten verlinkt. Viel „Spaß“ (haha!)!

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