In meinem letzten Blogeintrag habe ich dargelegt, warum ich den qualitativen Charakter von Erlebnissen im Allgemeinen nicht für beschreibbar halte: Um zu erfahren, wie Kaffee schmeckt, muss man Kaffee probiert haben. Eine Beschreibung des Geschmacks von Kaffee, wie Bennett und Hacker sie in ihrem Buch Philosophical Foundations of Neuroscience geben, rekurriert immer auf andere Sinneseindrücke, die ihrerseits selbst bereits erfahren werden mussten: Kaffee schmeckt heiß, bitter, lecker – und eben nach Kaffee. Insofern sind Erlebnisse meines Erachtens immer subjektiv und privat: Intersubjektiv teilbare Beschreibungen von Erlebnissen liefern uns keinen Zugang zu ihrem qualitativen Charakter, der nur subjektiv erfahrbar ist.
Bennett und Hacker sind der Ansicht, dass die Rede vom qualitativen Charakter von Erlebnissen bloß Verwirrung stiftet und dass es keinen Sinn macht, von der Subjektivität oder Privatheit von Erlebnissen zu sprechen. Wie argumentieren sie für diese steile These? Ihr Argument besteht im Wesentlichen aus einer Dekonstruktion einer Reihe von Metaphern, die für die Subjektivität von Erlebnissen ins Feld geführt werden. Schauen wir sie uns der Reihe nach an.
„Innen“ versus „Außen“
Bennett und Hacker wenden sich als erstes gegen die Vorstellung, dass Schmerzen oder Gefühle etwas „Inneres“ seien, das substantiell verschieden von unserem entsprechenden Verhalten als etwas „Äußerem“ ist. Sie räumen zwar ein, dass wir selbst keine Schmerzen fühlen, wenn wir das Schmerzverhalten anderer Menschen beobachten. Sie wenden sich aber gegen eine strikte Trennung von „Innen“ und „Außen“, die schnell in einen cartesianischen Dualismus von Körper und Seele abdriften kann.
Bennett und Hacker zufolge sollten wir die Metapher von „Innen“ und „Außen“ wie folgt verstehen: Manchmal empfindet man Schmerzen, ohne sie nach außen zu zeigen, oder hat Gedanken, ohne sie zu äußern. In diesem Sinne ist das Mentale etwas „Inneres“, das vor anderen Menschen verborgen werden kann. Umgekehrt kann aber auch das „Innere“ unserer Schmerzen oder Gedanken durch Schmerzverhalten oder durch Äußerung unserer Gedanken nach „Außen“ gekehrt werden: Das „Innere“ wird so für andere direkt beobachtbar. Bennett und Hacker formulieren es so:
„There is nothing ‚inner‘ or unobservable about the manifest emotions of others – they are exhibited to public view. All that is true is, first, that when we observe the anger or fear of another, we do not usually feel anger or fear ourselves; second, sometimes a person may feel angry or frightened and not show it.”
(M.R. Bennett & P.M.S. Hacker: Philosophical Foundations of Neuroscience, Blackwell, 2003, S. 90. Hervorhebungen im Original.)
An dieser Stelle haben Bennett und Hacker allerdings vergessen, eine dritte Tatsache zu benennen: Manchmal beobachten wir Schmerzverhalten, ohne dass es eine zugehörigen „inneren“, mentalen Zustand des Schmerzes gibt. Menschen können so tun, als hätten sie Schmerzen; und Kinder können wie am Spieß schreien, bloß weil sie ihren Willen nicht bekommen oder weil sie sich erschrocken haben.
Womit Bennett und Hacker Recht haben, ist ihre These, dass wir das Innenleben anderer Lebewesen an ihrem Verhalten förmlich ablesen, oder genauer: Wir sehen geradezu, was in anderen Lebewesen vor sich geht. Wir schließen nicht bewusst aus dem Verhalten auf ihr Innenleben: Wir sehen ihr Innenleben. Und es gibt dafür meines Erachtens kein schöneres Beispiel als den folgenden Film der Psychologen Fritz Heider und Marianne Simmel aus dem Jahre 1944:
In diesem Film sehen wir sich bewegende Dreiecke und Kreise – aber wir sehen mehr als das: Wir sehen intentionales Verhalten; einen ängstlichen Kreis, der sich in eine Ecke kauert; ein wütendes Dreieck, das zornig seine Wohnung zerstört, und weiteres mehr. Würden wir aus den Bewegungen der Formen bewusst auf das Innenleben der Figuren schließen, würden wir bemerken, dass die Figuren offensichtlich kein Innenleben haben, da bloße Formen in einem Film keine Lebewesen sind.
Aber so funktioniert unsere Zuschreibung eines mentalen Innenlebens nicht: Wir deduzieren dieses Innenleben nicht aus dem Verhalten, sondern wir sehen das Innenleben direkt vor uns. Der Film von Heider und Simmel zeigt allerdings ebenso, dass uns unsere Sinneseindrücke manchmal täuschen: Die Figuren haben kein Innenleben; unser Eindruck, dass dem so wäre, ist eine bloße Illusion.
Gibt es philosophische Zombies?
Manche Philosophen – so wie ich – halten es für logisch möglich, dass es Lebewesen gibt, die sich genauso verhalten wie wir, aber kein Bewusstsein haben. Diese Lebewesen werden Zombies genannt: Wenn sie sich mit dem Hammer auf den Finger hauen, schreien sie laut „Aua!“ und holen sich ein Kühlpack – aber sie haben dabei kein Schmerzempfinden, keine visuellen Eindrücke, keine Intentionen. Ihr Innenleben sähe für uns aus wie traumloser Schlaf.
Wohlgemerkt: Ich halte es für logisch möglich, dass alle Lebewesen außer mir bloße Zombies ohne jedes Bewusstsein sind. Ich halte es beispielsweise für logisch möglich, dass das gesamte Leben aus einer höheren Warte betrachtet nichts weiter ist als ein langer Traum; oder dass die Realität eine von einem höheren Wesen ausgedachte virtuelle Realität mit mir selbst als einzigem bewussten Spieler ist. Logisch möglich heißt aber natürlich nicht plausibel. Ich glaube nicht, dass diese Szenarien tatsächlich der Fall sind. Aber allein aus logischen Gründen kann ich sie auch nicht ausschließen.
Bennett und Hacker hingegen halten die Existenz philosophischer Zombies für logisch ausgeschlossen. Sie schreiben:
„[I]t is not intelligible that a living creature manifest perceptual, cognitive, affective and conative powers in its behaviour and not be conscious. For these endlessly rich forms of behaviour and speech in the circumstances of life are logical criteria for a creature’s being conscious. […] If a creature regularly behaves just as we do in the normal circumstances of life, then it is conscious just as we are.” (Ebd., S. 310. Hervorhebungen im Original.)
Es hilft nichts, ein Argument durch Kursivdruck ersetzen zu wollen: Gewisse Verhaltensweisen eines Lebewesens sind eben kein logisches Kriterium dafür, dass das Lebewesen bewusst ist. Wir sehen anhand des Verhaltens, dass das andere Lebewesen bewusst ist – aber unsere Sinnesorgane können uns täuschen. Wir sehen zum Beispiel, dass die Fliege unserem Schlag ausweicht – aber ist sie deshalb wirklich bei Bewusstsein? Ich glaube schon – allerdings nicht aus logischen Gründen. Ich vertraue einfach auf meine Sinnesorgane – und dass sie mich in diesem Fall nicht täuschen, wie in der Heider-Simmel-Illusion.
Die Metapher des privilegierten Zugangs zum eigenen Bewusstsein
Neben der Metapher von „innen“ und „außen“ wird häufig die Metapher des „privilegierten Zugangs“ zu den eigenen Bewusstseinszuständen verwendet. Zu den eigenen Bewusstseinszuständen habe man einen „direkten Zugang“: Man weiß unmittelbar, ob man Schmerzen hat, einen roten Ball sieht, oder ähnliches. Zu fremden Bewusstseinszuständen hat man demgegenüber nur einen „indirekten Zugang“, der über das Verhalten der anderen Person vermittelt ist, beispielsweise über ihr Schmerzverhalten oder ihre Aussage, dass sie einen roten Ball unter dem Wohnzimmertisch sieht.
Bennett und Hacker gestehen zu, dass man die eigenen Schmerzen nicht über den Umweg des eigenen Verhaltens erschließen muss. Trotzdem wenden sie sich gegen die Metapher des direkten Zugangs – und zwar auf eine Weise, die mich fragen lässt, ob sie die Metapher nicht verstehen wollen.
Bennett und Hacker behaupten, dass das Bild vom privilegierten Zugang daher rührt, dass unsere Zuschreibungen von Bewusstsein, Schmerzen, und so weiter, in der ersten Person völlig anders funktioniert als in der dritten Person. Wenn wir dritten Personen Bewusstsein oder Schmerzen zuschreiben, tun wir dies auf der Basis ihres Verhaltens. Wenn wir uns selbst Schmerzen oder Bewusstsein zuschreiben, tun wir das hingegen nicht auf Basis unseres Verhaltens, sondern – ja, auf welcher Basis tun wir das?
Bennett und Hacker behaupten: Auf gar keiner Basis! Sie schreiben: „I avow or aver what I think or feel without any criteria at all.” (Ebd., S. 92.), und auf der selben Seite: “[W]hen I have a pain, I can say so immediately, without evidential grounds.” Aber ist nicht der Schmerz selbst meine Evidenz für die Schmerzäußerung? Bennett und Hacker zufolge ist das nicht der Fall: „[H]aving a pain is not a form of knowledge, nor yet a kind of evidence, and the person who groans or says that he has a pain does not say so on the basis of either evidence or observation […].” (Ebd., S. 93.)
Bennett und Hacker wissen selbst, dass das „baffling“ klingt: „[H]ow can we apply a predicate to ourselves without any criteria of application? Do we apply it arbitrarily? That would be absurd. We sincerely say that we are in pain only when we are in pain – and there is nothing arbitrary about that.” (Ebd., S. 101.)
Sie erklären im Folgenden, dass Schmerzäußerungen ursprünglich keine Äußerungen über meinen inneren Zustand sind, sondern expressives Schmerzverhalten. Kinder schreien, wenn sie Schmerzen haben, und lernen im Laufe ihres Lebens diese natürlichen, instinktiven Schreie durch Äußerungen ihres Schmerzes zu ersetzen. Ebenso schreien sie, wenn sie ihren Willen nicht bekommen, und lernen im Laufe ihres Lebens, diese instinktiven Schreie durch Willensäußerungen zu ersetzen. Schmerzäußerungen und Willensäußerungen sind demnach keine Beschreibungen des Seelenlebens, sondern bloßes expressives Verhalten, das später auch beschreibenden Charakter erhält.
Merkwürdig bleibt, wie Kinder vor diesem Hintergrund überhaupt lernen, ihre Schreie zu differenzieren. Das expressive Schreiverhalten von Kindern im Falle von Schmerzen klingt genauso wie das expressive Schreiverhalten von Kindern, wenn sie ihren Willen nicht bekommen. Wie schaffen es also Eltern, diese Schreie auseinander zu halten? Und wie schaffen es Kinder, ihre Schmerzensäußerungen und Willensäußerungen zu differenzieren?
Komischerweise hat man selbst überhaupt keine Erinnerung mehr daran, wie man als Kind die Muttersprache gelernt hat. Daher kann ich nur aus meiner Erfahrung als Vater sprechen: Oft ergibt sich aus dem situativen Zusammenhang, aus welchem Grund ein Kind schreit. Dann fragt man das Kind beispielsweise: „Hast du dir wehgetan?“, oder: „Hast du dir den Kopf gestoßen? Das tut weh am Kopf.“, oder: „Hast du Hunger? Willst du eine Banane?“ Und so lernt das Kind irgendwann, sein eigenes Innenleben durch die Brille der Eltern zu sehen und ihren Willen als Willen sowie ihre Schmerzen als Schmerzen wahrzunehmen. Anders kann ich mir nicht erklären, wie ein Kind vom natürlichen undifferenzierten Schreiverhalten zu einem differenzierten expressiven Verhalten kommen soll.
Meines Erachtens ist es daher völlig abwegig, wie Bennett und Hacker zu behaupten, das eigene Schmerzempfinden sei keine Form von Evidenz. Natürlich ist sie das. Anderenfalls könnte man nie wissen, ob man gerade Schmerzen hat oder nicht – und das ist offensichtlich völlig absurd. Der Satz „Ich weiß doch, dass ich Schmerzen habe!“ wird zwar selten geäußert. Aber das liegt nicht daran, dass er falsch ist, sondern daran, dass er so offenkundig wahr ist, dass er in der Regel nicht geäußert zu werden braucht.
Und doch müssen Bennett und Hacker so merkwürdige Dinge behaupten, wie, dass Schmerzäußerungen als expressives Verhalten überhaupt keine rechtfertigende Evidenz besitzen. Denn anderenfalls wäre diese Evidenz eine Form von Evidenz, zu der das schmerzempfindende Individuum offensichtlich eine Form von „privilegiertem bzw. direktem Zugang“ hat – und die Existenz solcher Evidenz wollen Bennett und Hacker aus Angst vor jeglicher Form von Cartesianismus schlicht nicht zugestehen. So erkläre ich mir jedenfalls, wie sie dazu kommen, absurde Thesen zu verteidigen.
Privatheit und Subjektivität von Schmerzen
Eine weitere Möglichkeit, die Privatheit oder Subjektivität bspw. von Schmerzen zu erklären, besteht in dem Hinweis, dass ich nur meine Schmerzen haben kann. Es ist logisch unmöglich, dass ich deine Schmerzen haben kann, selbst wenn wir beide stechenden Kopfschmerz hinter der Stirn von ähnlicher Intensität haben. Man könnte dann sagen, dass wir den gleichen Kopfschmerz haben, aber es wäre falsch zu sagen, wir hätten denselben Kopfschmerz. Und das macht Kopfschmerzen zu einer privaten und subjektiven Angelegenheit.
Hier beißen Bennett und Hacker in die Gewehrkugel, wie es auf Englisch heißt: Sie behaupten, dass wir in der Tat nicht nur den gleichen, sondern denselben Kopfschmerz haben. Wie kann das sein? Nun, sie verwischen den Unterschied zwischen Abstrakta und Konkreta, oder zwischen Type und Token. Während es Sinn macht zu sagen, wir hätten denselben Schmerz, verstanden als abstrakten Schmerz, macht es keinen Sinn zu sagen, wir hätten denselben Schmerz, verstanden als konkreten Schmerz. Anders ausgedrückt: Wir haben denselben Schmerz als Type, aber nicht denselben Schmerz als Token.
Bennett und Hacker fassen nun Schmerzen als Abstrakta auf, wenn sie sagen, dass „[t]he criteria of identity of a pain consist in its intensity, location and phenomenological features, and if your pain and mine tally in these respects, then we both have the same pain.” (Ebd., S. 95-96.) Man kann am letzten Satz den Unterschied zwischen Type und Token erhellen: „your pain“ und „my pain“ sind verschiedene Tokens des „same pain“, verstanden als Type. Das macht Sinn. Aber Bennett und Hacker verwischen den Unterschied zwischen Type und Token, weil Abstrakta für sie nicht existieren.
Bennett und Hackers zwiespältiges Verhältnis zu Abstrakta und mentalen Gegenständen
In einer früheren Stelle des Buches wenden sie sich gegen John Eccles‘ Unterscheidung von Welt 1 der physischen Gegenstände, Welt 2 der mentalen Gegenstände und Welt 3 der abstrakten Gegenstände, indem sie behaupten, dass es solche „Welten“ mentaler oder abstrakter Gegenstände schlicht nicht gibt: „There is only one world, which is described by specifying whatever is (contingently) the case.“ (Ebd., S. 51.), und weiter:
„These nominals (‚cheerfulness‘, ‚depression‘, ‚toothache’) merely provide an indirect way of talking of people being cheerful or depressed and of their tooth’s hurting – it introduces no new entities, merely new ways of talking about existing entities (e.g. about people and how things are with them). Similarly, we talk of propositions, theorems and other abstracta – but this too only appears to introduce new entities, and is really no more than a convenient way of saying that expressions that look as if they stand for concrete entities do not do so at all, but rather fulfil quite different functions.” (Ebd., S. 51.)
Während es nun so scheinen könnte, als wären Bennett und Hacker Materialisten durch und durch, indem sie die Existenz von mentalen und abstrakten Gegenständen bestreiten, schließen sie an obige Bemerkung einen Satz an, der mich in seiner Inkonsequenz fast schon schockiert hat:
“To be sure, this does not mean that there are no mental states, no cheerfulness, depression or anxiety, or that there are no propositions, no theories or theorems. On the contrary, it means that there are – only they are not kinds of entities.” (Ebd.)
Ich kann mich nicht entscheiden, ob der letzte Satz Unsinn ist oder schlicht falsch: Der Begriff „entity“ oder „Entität“ ist kein Wort des Alltags, sondern ein technischer Terminus, der sich per definitionem auf alles anwenden lässt, was existiert. Entitäten existieren, und umgekehrt ist alles, was existiert, eine Entität. Diese Sätze sind analytisch wahr. Das heißt es eben, eine Entität zu sein. Was soll nun aber der Satz bedeuten: „Es gibt mentale Zustände und abstrakte Gegenstände – sie sind bloß keine Entitäten“? Das deutsche „es gibt …“ bzw. das englische „There is/are …“ sind eindeutig Einleitungen von Existenzaussagen – es geht also um Entitäten. Der Satz „Es gibt Abstrakta – sie sind bloß keine Entitäten“ ist daher analytisch falsch.
Ich weiß nicht, wie es ein analytisch falscher Satz in ein Buch zweier Professoren geschafft hat, das den hochtrabenden Titel Philosophical Foundations of Neuroscience trägt. Aber es ist passiert – und das mehrfach. An anderer Stelle heißt es über Wahrnehmungen:
„[T]hese nominals introduce no new entities other than those already presented by the simpler sentence ‘A perceives O’; they merely introduce convenient façons de parler, abstractions from the familiar phenomena. This does not mean that there are not really any perceptions (or that pains, tickles or twings do not really exist, or that there are no hopes or fears). It means that there are, but that they are not ‘entities’ or kinds of things.” (Ebd., S. 296.)
Wahrnehmungen und Schmerzen existieren also – sie sind nur keine Entitäten. Wer soll das verstehen? Ist es Unsinn oder analytisch falsch? Geben wir Bennett und Hacker eine dritte Gelegenheit, einen ähnlichen Gedanken zu formulieren:
„To say that our ordinary talk of the mind is a mere façon de parler is not to say that there are no minds. On the contrary, it is in effect to say that there are, but that they are not kinds of things. The mind, one might say, adapting a phrase which Wittgenstein used in a different context, is not a nothing, but it is not a something either.” (Ebd., S. 105.)
Armer Wittgenstein: Er kann sich nicht dagegen wehren, dass Bennett und Hacker ausgerechnet mit einem sinnlosen Satz an ihn erinnern. Denn was soll es heißen, dass der Geist weder ein Nichts noch ein Etwas ist? Können wir diesen Satz überhaupt verstehen? Oder können wir ihn nicht verstehen, weil er wie die obigen Sätze analytisch falsch ist? Unsinn oder Unwahrheit – es ist schwer zu sagen. Gibt es nun den Geist, oder gibt es ihn nicht? Bennett und Hacker wollen irgendwie beides haben – was zu patentem Unsinn führt.
Fazit
Eines muss man Bennett und Hacker lassen: Ihr Buch Philosophical Foundations of Neuroscience ist sehr flüssig und klar geschrieben; es liest sich ganz hervorragend. Aber an den entscheidenden Stellen vertreten sie Positionen, die für mich absurd bis unsinnig oder gar analytisch falsch klingen. Mich konnten sie jedenfalls letztlich nicht davon überzeugen, dass Bewusstsein keine intrinsisch private und subjektive Angelegenheit ist. Damit steht und fällt aber ihre ganze Argumentation gegen den von ihnen monierten Krypto-Cartesianismus der gegenwärtigen Neurowissenschaft.
Selbst die Frage, ob der „mereologische Fehlschluss“, bei dem man psychologische Attribute auf das Gehirn anwendet, wirklich ein Fehlschluss ist, gehört vor diesem Hintergrund wieder aufs Tablett. So klar ist mir das alles nämlich gar nicht mehr. Betrachte ich den Heider-Simmel-Film, so möchte ich sagen: Das Gehirn konstruiert bei meiner Betrachtung des Films mentale Modelle des Innenlebens der Figuren. Ich tue das nämlich nicht; ich sehe das Innenleben – und wer soll diese Modelle sonst erstellen, wenn nicht das Gehirn?
Es ist schon seltsam. Einerseits argumentieren Bennett und Hacker mit Wittgenstein dafür, dass es keine Privatsprache geben kann, weil man nicht auf einen Sinneseindruck zeigen und sinnvoll sagen kann: „So sehe ich rot!“ Andererseits werfen sie anderen Philosophen vor, das Qualia-Konzept sei unsinnig, weil die Philosophen nicht erklären, was sie damit genau meinen. Aber das ist gerade der Punkt der ganzen Sache: Ich kann nicht erklären, was ich meine, weil ich nicht auf ein Quale zeigen und sagen kann: „Das meine ich!“
Man kann aber – und das tun Neurowissenschaftler sehr gerne – den Punkt mithilfe von optischen Phänomenen des Gestaltwechsels illustrieren. Betrachte beispielsweise das Bild auf dieser Website. Als erstes sieht man vermutlich eine Treppe, die von rechts unten nach links oben geht. Aber es kann auch zu einem Gestaltwechsel kommen, sodass man eine Kopfüber-Treppe von links oben nach rechts unten sieht.
Wittgenstein hat sich ausgiebig mit solchen Beispielen des Gestalt- oder Aspektwechsels beschäftigt und versucht, sie irgendwie in den Griff zu bekommen. Was geht da vor sich? Philosophische Gegner von Bennett und Hacker würden vielleicht sagen: Man hat verschiedene Quale, wenn man die Treppe mal so, mal so sieht. Dass das dargestellte Bild selbst sich bei einem solchen Aspektwechsel nicht ändert, zeigt doch wohl, dass solche Wahrnehmungen einen irreduzibel subjektiven, qualitativen Charakter haben. Und was im Falle einer Illusion gilt, gilt dann auch für den Normalfall – es fällt uns bloß nicht auf, wenn wir nicht darüber philosophieren.
Über solche Beispiele, die für Neurowissenschaftler und auch für ihren Helden Wittgenstein so eminent wichtig sind, sprechen Bennett und Hacker nie. Entsprechend kann man leider auch nicht sagen, wie sie solche Beispiele erklären würden, ohne auf die Subjektivität von Sinneseindrücken Bezug zu nehmen. Bennett und Hacker illustrieren ihre Punkte lieber anhand von glasklaren, unstrittigen Beispielen – und so ist ihnen, wie gesagt, ein sehr gut lesbares Buch gelungen, das aber leider über die wirklich kniffligen Probleme hinweggleitet. Eine „philosophische Grundlegung der Neurowissenschaft“ ist ihnen daher meines Erachtens nicht geglückt.