Als Anwender von Olanzapin habe ich mit einer typischen Nebenwirkung dieses Medikaments zu tun: Gewichtszunahme. Vor meiner ersten Psychose wog ich noch etwa 80 Kilogramm – für meine Körpergröße von 1,78 ein leichtes Übergewicht, aber damit konnte ich gut leben. Jetzt, etwa 5-6 Jahre und eine weitere Psychose später, wiege ich ungefähr 96 Kilogramm – eine Gewichtszunahme von 16 Kilo; ich habe also etwa 3 Kilo pro Jahr zugenommen. Das ist gerade so viel, dass es von Tag zu Tag nicht weiter auffällt – aber mit den Jahren dann eben doch.
Der ungezügelte Appetit
Woher kommt diese Gewichtszunahme? Ich kann natürlich nicht für alle sprechen, aber in meinem persönlichen Fall bin ich mir ziemlich sicher, wo die zusätzlichen Pfunde herkommen: Ich habe einfach mehr Appetit als früher. Genauer: Mein Appetit wird durch Essen weniger gezügelt als früher. Das führt dazu, dass ich im Zweifel noch einen Nachschlag mehr nehme, als ich es sonst getan hätte – und mit der Zeit läppern sich diese Nachschläge und führen zu mehr Speck auf den Hüften.
Mögliche Maßnahmen gegen die Gewichtszunahme
In der Theorie weiß ich, wie ich das Problem umgehen könnte: Ich müsste mir klare Limits beim Essen setzen. Ich sollte mittags beispielsweise maximal vier Scheiben Brot essen und abends keine Nachschläge mehr nehmen. Aber sich im Eifer des Gefechts mit anhaltendem Appetit daran zu erinnern ist verdammt schwer.
Eine weitere Möglichkeit wäre, Kalorien zu zählen. Aber das ist mit einem nicht unerheblichen Aufwand verbunden – und in meinem Fall ist die Gewichtszunahme so schleichend, dass ich mich nicht dazu überwinden kann, mit dem Kalorienzählen anzufangen.
Eine dritte Möglichkeit, die Pfunde loszuwerden, bestünde natürlich darin, Sport zu treiben. Aber auch das ist ein nicht unerheblicher Aufwand, und ich kann mich im Moment beim besten Willen nicht dazu aufraffen, mich auf den Stepper im Dachboden zu stellen. Auch wenn es mir sicherlich gut tun würde. Ich habe einfach keine Lust. Mein innerer Schweinehund ist zu groß.
Bin ich selber Schuld an meinem Fettbauch?
Daher lebe ich im Moment einfach mit meinem Dickbauch. Eine für mich schwierige Frage lautet: Inwiefern bin ich selber eigentlich für meine Gewichtszunahme verantwortlich? Auf der einen Seite liegt die Gewichtszunahme natürlich an mir und niemandem sonst: Ich esse zu viel, und ich treibe keinen Sport, also ist es meine Schuld, dass ich so zunehme.
Auf der anderen Seite ist es aber das Olanzapin, das für meinen ungezügelten Appetit verantwortlich ist – und bei einem solchen Appetit ist es einfach verdammt schwierig, sich beim Essen zu zügeln. Zu schwierig? Das ist die entscheidende Frage, die ich nicht beantworten kann. Vielleicht ist es zu schwierig. Vielleicht drücke ich mich aber auch vor meiner eigenen Verantwortung mir selbst gegenüber. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur: Ich bin nicht alleine mit meinem Problem. Vielen Anwendern von Olanzapin geht es wie mir – oder schlimmer. Das spricht dafür, sich nicht die alleinige Schuld für den Fettbauch in die Schuhe zu schieben.
Liefert mein Fettbauch ein Argument für den interaktionistischen Dualismus?
Immerhin lässt sich die ganze Angelegenheit auch philosophisch fruchtbar machen. Auf der einen Seite führt die Einnahme von Olanzapin bei mir zu einem ungezügelten Appetit – also haben wir einen Fall von physio-psychischer Kausalität. Umgekehrt führt der ungezügelte Appetit dazu, dass ich mehr esse – also haben wir einen Fall von psycho-physischer Kausalität. Es spricht also einiges dafür, dass Physis und Psyche in kausaler Wechselwirkung miteinander stehen: Die Physis beeinflusst die Psyche, und die Psyche beeinflusst die Physis.
Letzteres, also das Phänomen der mentalen Verursachung, wird mitunter bestritten, vor allem weil man nicht sagen kann, wie man sich das genau vorzustellen hat, und wie das überhaupt möglich sein kann, dass die Psyche auf den Körper wirkt. Aber ich denke, dass man hier zunächst einmal das Phänomen so zu nehmen hat, wie es de facto auftritt: Nur weil ich nicht erklären kann, wie der kausale Mechanismus von Psyche zu Physis vorzustellen ist, muss man doch festhalten, dass eine Beeinflussung der Physis durch die Psyche stattfindet: Mein Fettbauch ist doch ein handfester Beleg dafür!
Mein Olanzapin-induzierter Fettbauch führt mich also zur These des interaktionistischen Dualismus: Res Extensa (mein Körper) und Res Cogitans (mein Geist oder meine Seele) stehen in Wechselwirkung miteinander. Wie das sein kann, weiß ich nicht. Aber mir scheint der Dualismus in dieser Hinsicht nicht schlechter dazustehen als die monistische Alternative des Materialismus: Denn der muss die parallele Frage beantworten, wie Bewusstsein aus dem Zusammenspiel bewusstloser Materie entsteht – und darauf haben wir soweit ich weiß auch noch keine befriedigende Antwort parat.